um Joseph Anton Koch

Das Karussell der französischen Geschichte des 19. Jahrhunderts

Eine generelle Schublade kann für das 19. Jh. nicht aufgetan werden. Verzahnt und miteinander verwoben, Gleichzeitigkeit von Ungleichzeitigen, Nebeneinander und Miteinander, dieses Jh. ist Schmelztiegel. Hintergrund einer Epoche grundlegender sozialer, politischer, wirtschaftlicher, technischer, naturwissenschaftlicher, auch kultureller Neuerungen, aber fußend auf althergebrachten Traditionen. Den Rhythmus geben historische Eckdaten, die Revolutionen von 1789, 1830 und 1848.

Der Schwur der 1500 Republikaner - J.A, Koch

Der Schwur der 1500 Republikaner – J.A, Koch

Mit der franz. Revolution ging der monumentale Bruch einher. Staat und Gesellschaft sind neu formiert, Religion wird neu definiert. Herrschaft muß sich neu legitimieren, sucht neue Ausdrucksmittel; der Neuaufbau Europas bedingt neue Aufgabe für die Kunst.

Nach der Abdankung Napoleons und dessen Verbannung nach Elba, kehren 1814 – 1824 mit Ludwig XVIII die Bourbonen auf den Thron Frankreichs zurück, unter Bevorzugung der Rechte von Adel und Klerus, unterbrochen durch Napoleons Landung und seine Herrschaft der 100 Tage, 1815 die Niederlage bei Waterloo. Folgend 1824 – 1830 regiert Charles X, Algerien wird erobert. Durch Auflösung der Kammer, Wahlrechtsänderung und Pressezensur kommt es 1830 zur Julirevolution, vorbereitet durch den Historiker und Redakteur Adolphe Thiers (1797 -1877). Die Partei der Bourgoisesie mit La Fayette, Lafitte (Onkel des Tiermalers Th. Lafitte), Thiers und Guizot lassen den Herzog von Orléans als „Bürgerkönig Louis Philippe“ ausrufen. Durch die Revision der Verfassung beginnt „die goldenen Zeit des Großbürgertums“. 1832 wird in Frankreich erstmalig der Begriff des Sozialismus geprägt. Die Cholera bricht in Paris aus und erzwingt Auslandsaufenthalte der Künstler. 1846/47 kommt es zur Wirtschaftskrise, die das neue Proletariat radikalisiert.

Paris war der Schmelztiegel kulturellen Lebens, innovativer Ideen, war Prüfstein in der künstlerischen Laufbahn. Durch die Anziehungskraft der französischen Hauptstadt und derer politischer Schlüsselrolle konnte sich ein ungemein fruchtbarer Dialog mit dem „Rest der Welt“ spinnen. Das Aufsaugen niederländischer, oder englischer Tradition ist ebenso Faktor französischer Landschaftsmalerei, wie auch das Ausstrahlen in die umliegenden Kulturzentren. So ist als Beispiel Landschaftsmalerei der Münchener Schule ohne die Erfahrung der Schule von Barbizon undenkbar.

„Le Salon de Peinture, Gravure, Sculpture et d’Archticture des Artistes Vivants“ ist der offizielle Name des Dreh- und Angelpunktes, aber auch der Bühne der französischen Kunst zwischen 1791-1880. Er war nicht nur internationaler Treffpunkt von Kennern und Gönnern, sondern vor allem gesellschaftlicher Höhepunkt im Treiben der Hauptstadt. Akteure waren die Maler, Stars im regen Kunstbetrieb.

Die breite Akzeptanz von Kunst im neuen Bürgertum äußert sich z. B. darin, dass 1855 der Salon fast ebenso viele Besucher wie Einwohner von Paris zählte. Wirtschaftlich gesehen war sie der Umschlagplatz unglaublicher Summen und finanzierte damit den Kunstbetrieb der Hauptstadt; innenpolitisch war sie Instrument der Staatspropaganda und außenpolitisch Frankreichs kulturelles Aushängeschild

Sfeir-Semler beschreibt treffend die Einschätzung des Salons in der älteren Kunstgeschichtsforschung „als „Hochburg der Akademie“, deren „Jury-Diktatur“ den Vertretern der sogenannten „Avantgarde-Malerei“ den Zutritt zur Ausstellung verwehrt hat“. Damit wurde nachhaltig die Kunst des 19. Jahrhunderts polarisiert in Salonkunst und Anti-Salonkunst. Vergessen wurde, dass auch die sog. „Avantgarde“ Teil diese Salonbetriebes war.


Der Artikel „Von Rom zu Barbizon“ stammt aus der Feder von Dr. Georg Fresen und Frau Sigrid Brusis (Dumann). Sie finden die komplette Studie in einer PDF.-Datei mit allen Fussnoten und Quellennachweisen:

PDF-Datei „Von Rom zu Barbizon“