Das Ende einer Epoche?
Seit Winckelmann die Grundlagen für die moderne Archäologie und eine klassische Kunstauffassung gelegt hatte, waren immer mehr Künstler, Schriftsteller und Kunstliebhaber nach Rom gezogen. Sie sahen im Studium der antiken Vorbilder ein unverzichtbares Element ihrer Bildung, das sich mit der Inspiration durch die überwältigend schöne Natur Italiens glücklich verband. Die Sozialformen der Deutschen waren damals vielfältig : sie reichten von der Künstlerrepublik bis zum Nazarenischen Männerbund und zur weiblich geprägten Salongesellschaft; für manche wurden die römischen Jahre die schönsten und eindruckvollsten ihres Lebens. Spätestens um die Mitte des 19. Jahrhunderts fand hinsichtlich der deutschen Interessen an Italien ein Wechsel der Perspektive statt. Zwar versiegte der Zustrom klassischer Bildungsreisender und Künstler nach Rom nicht; das Land der Kunst wurde zunehmend auch historisch und politisch interessant.
Die Hauptstadt dieses neuen Interesses hieß Florenz. Bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts hatten sich dort verschiedene englische Künstlerzirkel gebildet. Die Deutschen, die nicht wie Goethe die Stadt nur eiligst durchlaufen wollten, fanden hier im Gegensatz zum papstregierten Rom ein intellektuelles und in Kunstdingen versiertes Bürgertum.
Die Blütezeit deutsch-florentinischer Geselligkeit fiel in die Jahre von 1860 bis 1880. Overbeck, Cornelius und Gregorovius waren hier in den Salons der Stadt zu Gast, wie auch Meyerbeer, Liszt und Schumann.
Das politische Interesse galt vor allem dem Einigungsprozess Italiens, in dessen Folge Florenz 1865 zur Hauptstadt des neu gegründeten italienischen Staates geworden war. Hier war die 1848er Revolution nicht erfolglos verpufft, sondern schien sich erfolgreich in Richtung einer staatlichen Unabhängigkeit weiter zu entwickeln.
Neuorientierung unter Ludwig I von Bayern
Beim letzten Romaufenthalt Ludwig I. von Bayern 1866/67 war bereits viel vom alten Rom dahingegangen und von einer Neuorientierung des Interesses an Italien zu spüren gewesen. Die „Garde der Alten“ war bis auf Overbeck verstorben, die „Jungen“ belächelten den alten Traum von Italien, der sich auf Natur und Kultur, auf Regeneration, auf Harmonie zwischen Mensch und Natur bezogen hatte und auf die Freiheit von jeglichem akademischen Kunstbetrieb, mit all seinen Freiheiten und Abhängigkeiten. Die Impressionisten hängten die Deutschrömer still von der Wand; wer ein Maler der modernen Welt werden wollte, ging nach Paris.
War die Sehnsucht nach Italien nur ein Traum gewesen ?
Zahlreiche Künstler hatten sich mit ihrer neuen Heimat identifiziert und sich in Rom assimiliert. Koch, Reinhart, Rohden und andere Künstler hatten Italienerinnen geheiratet und sich dauerhaft in Rom niedergelassen. Ihre Bilder und Zeichnungen zeugen von ihrer Identifikation mit Rom und seiner Umgebung.
Anderen war die Verwirklichung ihres Traumes von Italien nicht vergönnt. Viel versprechende Talente wie Fohr und Horny starben noch in jungen Jahren und Künstler wie Theodor Rehbenitz mussten auch die schmerzlichen Grenzen ihrer künstlerischen Fähigkeiten erkennen. 1842 fand er eine seinen Fähigkeiten entsprechende Tätigkeit als Zeichenlehrer an der Universität Kiel.
Der Verlust des klassischen Landes ergab sich erst später während des Einigungsprozesses Italiens in einem veränderten politischen und historischen Interesse an diesem Land und der Verwirklichung der nachfolgenden Künstler in der neuen Kunst- und Stilrichtung des Impressionismus.
- Sowohl eine Epoche als auch eine weltanschaulich sehr heterogene politische und soziale Bewegungen zwischen 1815 und 1870 wird als Risorgimento (italienisch für Wiedergeburt/Wiedererstehung) bezeichnet, die nach dem Wiener Kongress von 1814/15 die Vereinigung der damaligen jeweils eigenstaatlichen Fürstentümer und Regionen der Apenninen-Halbinsel in einem unabhängigen Nationalstaat Italien anstrebten und durchsetzten. Sowie Simanowski u. a. 1999. S. 127 ff.