„Frankreich – Römer“ in der Epoche der „Deutsch- Römer“
Durch den Handel mit französischer und deutscher Kunst des 19. Jhs. breitet sich für den Händler und Sammler ein schillerndes und spannendes Facettenwerk. Mit den Worten Hölderlins gesagt:
„Man kann wohl mit Gewissheit sagen, dass die Welt noch nie so bunt aussah wie jetzt. Sie ist eine ungeheure Mannigfaltigkeit von Widersprüchen und Kontrasten.“
Länder und Malschulen überspannend erzählt jedes Bild für sich eine Geschichte und ist in den übergeordneten Zusammenhang eingebettet. In Vergessenheit geratene Lehrer – Schüler Verbindungen, einst gefeierte Malerheroen, deren Bilder nur in den Magazinen der Museen ihr Dasein fristen und dadurch dem Kunstmarkt unbekannt blieben, Salongrößen, deren Namen heute niemand mehr kennt, sie alle lassen den Liebhaber und Historiker der Kunst des 19. Jahrhunderts zum Schatzsucher werden. Denn nicht der Name des Künstlers ist Qualitätssiegel, sondern einzig allein das Werk an sich.
Das Unternehmen von Frau Barbara Rachinger, geb. Koch, Leben und Werk ihres Vorfahren Josef Anton Koch einem weitgefächerten internationalen Publikum nahe zu bringen, ist ein verdienstvolles Unternehmen, denn gerade die Person des „Malervaters“ Koch in Rom lädt ein zu einem Spaziergang in eine kunstgeschichtlich besonders reiche Epoche. Gerne denkt man an ihn, wenn man das nächste Mal im Cafe Greco in Rom den Espresso trinkt.
Den Verdienst der französischen Landschaftsmalerei beschreibt Johanna Scherb in ihrem umfangreichen Werk „ut pictura visio“. Naturstudium und Landschaftsbild in Frankreich 1740 – 1820. Petersberg 2001,S. 9“ treffend:
„ Vernet war es auch, der von Rom aus Impulse der internationalen Szene nach Paris trug, die über seinen Schüler Philipppe-Jacques de Loutherburg wiederum auf Maler wie Caspar Wolf und William Turner ausstrahlten. Zwischen Pierre-Henri de Valenciennes´ Ölskizzen und den Werken der Engländer, vor allem Thomas Jones und der Cozens, gibt es strukturelle Parallelen. Georges Michel machte mit seinen ´wie mit dem Besen hingeworfenen´ Bildern die Malfaktur zu einem gestalterischen Thema, das William Turner und John Constable gleichermaßen beschäftigte. Achille-Etna Michallon schließlich bildet nicht nur die Gelenkstelle zur Malerei Josef Anton Kochs, sondern auch zur Freilichtmalerei des 19. Jahrhunderts; der junge Corot ging durch sein Atelier.“
Das Romstipendium der Französischen Akademie erlaubte den Künstlern fern der Heimat, frei von materiellen Zwängen zu arbeiten. Das Gedankengut der französischen Aufklärung und der französischen Revolution, aber auch die Schriften Winkelmanns ließen Rom zu einem Anlaufpunkt des utopischen Traumes von politischer und künstlerischer Freiheit werden. Nach den napoleonischen Kriegen versammelten sich hier unterschiedlichste Meinungen und künstlerische Tendenzen. Ludwig Richter beschreibt in seinen Lebenserinnerungen die Zeit in Rom (1823 – 1826):
„ Die französischen Maler mit ihren Riesenkasten brauchten zu ihren Studien ungeheuere Quantitäten von Farbe, welche mit großen Borstenpinseln halb fingerdick aufgepatzt wurde. Stets malten aus einer gewissen Entfernung, nur um einen Totaleffekt – oder wie wir sagten- einen Knalleffekt zu erreichen. Sie verbrauchten natürlich sehr viel Maltuch und Malpapier, denn es wurde fast nur gemalt, selten gezeichnet. Dagegen wir: da wurde gerade umgekehrt- mehr gezeichnet als gemalt. Der Bleistift konnte nicht hart, nicht spitz genug sein, um die Umrisse bis ins feinste Detail, fest, bestimmt zu umziehen. Gebückt saß jeder vor seinem Malkasten, der nicht größer war als ein kleiner Papierbogen, und suchte mit fast minutiösem Fleiß auszuführen, was er vor sich sah. Wir verliebten uns in jeden Grashalm, in jeden zierlichen Zweig, …., Luft – und Lichteffekte wurden eher gemieden als gesucht, kurz ein jeder war bemüht, den Gegenstand möglichst objektiv, treu wie ein Spiegel wiederzugeben. Wie wenig da aber dennoch gelingen konnte, erfuhr ich gerade hier in Tivoli recht auffällig.“
So wurde Rom Experimentierfeld unterschiedlicher künstlerischer Praktiken in mannigfaltigen unterschiedlichsten Wertschätzungen. Zwar lehnten die „Lukasbrüder“ die Praxis des Anfertigens von Ölskizzen in der Natur ab. Reine Landschaftsmalerei sei mit Friedrich Schlegel Symptom des Verfalls. Aber gerade freundschaftliche Beziehungen unter den verschiedenen Malergruppen und Nationen wie z. B. bei Overbeck und dem Franzosen Carruelle d’Aligny bezeugen einen regen Austausch. Auch Michallon, Schüler von Valennciennes, stand mit Overbeck und Pforr in Verbindung. Er arbeitete mit Leopold Robert zusammen, malte die „Briganten der Campagna“ mit diesem, – für die zuvor L. Robert berühmt wurde, Michallon aber darüber vergessen. Auch pilgerte er mindestens zweimal nach Olevano in die Casa Baldi, ebenso wie auch Corot. Koch und Corot hinterlegten ihre Post im Cafe Greco. (Ausführlich zu Michallon, vgl. Knab). Eine Spurensuche nach den Künstlerfreundschaften und ihrer Malpraxis findet gerade in den letzten Jahren im europäischen Ausstellungswesen statt.
Kochs Worte lassen den regen Austausch innovativer Gedanken vermuten:
„ Wer die Welt, das Leben und die Natur nicht durch lange Studien und Erfahrungen in sich verarbeitet und das verarbeitete sich ganz pflichtig gemacht hat, der wird vielleicht ein Hackert, aber kein Landschaftsmaler.“(vgl. Kat. Büttner, Rott).
Und nicht zu vergessen Johann Georg von Dillis, der engen Kontakt zu den Engländern und Franzosen pflegte, die Valencennischen Übungen kannte und verinnerlichte; man denke an seine Wolkenbilder. Ein Dialog von Kunst und Naturwissenschaft war eröffnet, der Himmel in der Kunst neu entdeckt( vgl. Kat. Dillis, u.a., „ Die Wolke als Lehrmeisterin der Malerei in Rom um 1800. Das Vermächtnis Valennciennes’ ( Ines Richter-Musso, Kat. Wolkenbilder , S. 48)
Vor allem bot die Stadt auch unbegrenzten Zugang zu einem breiten internationalem Publikum, aus Pilgerscharen, gebildeten Kunsttouristen aller Länder und einer sehr vermögenden Schicht von Kunstsammlern, damit den Eintritt in einen relativ unabhängigen neuen Kunstmarkt, fern des Reglementes von Akademien und Mäzenatentum. Der Preis ihrer Autonomie war aber eine neue Abhängigkeit von den Spielregeln dieses Marktes, z. B. geschmäcklerische Vedutenmalerei.
Mit welch Ironie und Vergnügen liest sich heute noch die „Moderne Kunstchronik. Briefe zweier Freunde in Rom und der Tartarei über das moderne Kunstleben und Treiben; oder die Rumfordische Suppe, gekocht und geschrieben von Joseph Anton Koch in Rom. Karlsruhe, 1834 (1984).
Kochs Reiselust ist sicherlich vor einem großen kulturhistorischen Hintergrund zu betrachten (zum folgenden vgl. Hofmann Barbara). Seit der Antike belegen Schilderungen eines Herodot oder Pausanias diese lange Tradition. Die Pilgerreise des Mittelalters aber vor allem die Bildungsreise seit dem 16/17. Jh. ist herausragend in der humanistischen Erziehung. Man reiste in Begleitung Gelehrter, die sog. „Kavaliersreise“ des europäischen Adels führte von Paris zu den Hauptstätten Italiens Genua, Mailand, Florenz nach Rom und Neapel, später nach Venedig und der Schweiz, Deutschland, Holland und Brabant waren Stationen der Rückreise. Seit Mitte des 18. Jhs. reiste auch das Bürgertum. Die Reisen gestalteten sich bald komfortabler, Straßenkarten, Gaststätten, Verkehrswege wurden ausgebaut.
Natur wurde durch Schriften von J.J. Rousseau eine ästhetische Kategorie, durch Werke von Burke 1757 in England wird die Wahrnehmung der Bildungsreisenden verändert. Man sucht das „Pittoreske“ in der Landschaft zu finden, oder bei Gilpin 1792, soll diese erfreuen und die Imagination des Besuchers anregen, was nur der „erhabene und pittoreske Naturprospekt“ vermag.
Werke von Salvatore Rosa, Nicolas Poussin, Claude Lorrain waren die Grundlage der von ihm entwickelten Regeln, durch welche man den ästhetischen Gehalt von Landschaft bestimmen konnte. In England war das Pendant zur „Kavaliersreise“ die „Grand Tour“. Im Zuge des Gothic Revival wurde dort in der Mitte des 18. Jhs. in Literatur und Kunst die mittelalterliche Tradition neu bewertet, gotische Ruinenromantik neben das klassisch Antike gestellt, entsprechendes fand in Frankreich statt
Man sah Landschaft erst richtig vom entsprechenden Standort aus, mit den Augen von Lorrain oder Poussin, erahnte Geschichte, las Reiseberichte. In Italien suchte man das irdische Arkadien, antike Bukolik und streifte durch Rom und die Campagna. In den Landschaftsgärten der englischen Gartenkunst werden Arrangements a la Lorrain realisiert.
Europäische Landschaftsmalerei wäre ohne diese italienische Erfahrungswelt so nicht möglich geworden.
Als Koch Rom erreicht, prägen ihn zwei Landschaftstypen. Die Alpenlandschaft seiner Heimat und die idealisierte Landschaft Italiens. Er verknüpft die heroische Landschaftsauffassung eines Nicolas Poussin mit Sehnsucht, Utopie und Idylle der italienischen Landschaft, zurückversetzt in ein goldenes Zeitalter.
Der Artikel „Von Rom zu Barbizon“ stammt aus der Feder von Dr. Georg Fresen und Frau Sigrid Brusis (Dumann). Sie finden die komplette Studie in einer PDF.-Datei mit allen Fussnoten und Quellennachweisen: