Die römische Künstlerrepublik
Das Jahrhundert zwischen 1750 und 1850 umspannte eine Epoche des Umbruchs vom höfisch barocken 18. Jahrhundert zum bürgerlichen 19. Jahrhundert mit all seinen Misch- und Übergangsformen.
Dieser Umbruch fand
- geistesgeschichtlich in der Aufklärung, im Sturm und Drang, in der Deutschen Klassik;
- politisch und gesellschaftlich in der Französischen Revolution, in der Auflösung des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, in der napoleonischen Okkupation und in den Befreiungskriegen, in Restauration und Biedermeier;
- und in einer Vielfalt künstlerischer Stilrichtungen zwischen Klassizismus und Romantik
seinen Ausdruck.
Diese Zeit der Neuorientierung umfasste Prozesse einer Lösung aus tradierten Bindungen und Zwängen der künstlerisch bildenden Akademien hin zu einem Verständnis um der Kunst selbst willen.
Ein eigennütziges Interesse zur Schaffung von Kunstzentren an den Höfen der Landesfürsten hatte zur Entstehung von Akademien geführt, in denen Kunst lehr- und erlernbar und die Ausbildung von Künstlern streng reglementiert wurde.
Die Ausbildung erfolgte durch Kopieren von Musterblättern; das fehlende Bewusstsein für organische Zusammenhänge des menschlichen Körpers und der Natur hinderte somit jegliche individuelle Entwicklung der Künstler. (1)
Mit
- Friedrich Müller (* 13. Jänner 1749 in Kreuznach; † 23. April 1825 in Rom), seit 1778 in Rom;
- Johann Christian Reinhart (* 24. Jänner 1761 in Hof; † 8. Juni 1847 in Rom), seit 1789 in Rom;
- Asmus Jakob Carstens (* 10. Mai 1754 in St. Jürgen bei Schleswig; † 25. Mai 1798 in Rom), seit 1792 in Rom;
- und Joseph Anton Koch (* 27. Juli 1768 in Obergiblen; † 12. Jänner 1839 in Rom), seit 1795 in Rom;
begann sich eine Suche nach neuer künstlerischer Größe zu formen, die in der Römischen Künstlerrepublik ihren ideellen Ausdruck fand.
Fast alle Neuerungen in der europäischen Kunst zwischen 1750 und 1850 sind von Rom ausgegangen, und zwar von Künstlern aus dem Ausland. Rom selbst blieb unproduktiv.
Die ausländischen Künstler waren meist Stipendiaten ihrer heimischen Akademien oder der regierenden Fürsten.
Unter dem ständigen Zustrom neuer Künstler und neuer Ideen entwickelte sich eine lebhafte künstlerische Konkurrenz, die in verschiedensten Kunstrichtungen, von der Vedute bis zur heroischen Landschaft, ihren Ausdruck fand.
Die römische Künstlerrepublik
Bereits vor 1800 wurde die Kolonie deutscher Künstler in Rom als „Künstlerrepublik“ bezeichnet.
Der Glaube an die Vorbildlichkeit der Antike fand eine außerordentliche Stütze in den Überbleibseln der antiken Kunst, die in Rom gehäuft anzutreffen waren.
Die Phantasie gab der Kunst und ihren Künstlern eine neue Freiheit. Die Gestalten der antiken Dichtung und Kunst, die Götter und Heroen ließen sich als Geschöpfe der Phantasie aus der der barocken Hofkunst lösen, und damit viel freier und tiefsinniger gestalten.
Zudem gewährte die Phantasie eine Legitimation für den Umgang mit den antiken Göttern gegenüber dem Christentum, dem man nicht versagte. Phantasie und Gefühl gaben der eigenen Religion sogar neuen Auftrieb.
Die Kunst existierte für die Künstler für sich selbst. (2)
- Vgl. Von Füssli bis Menzel. 1997. S. 13 ff.
- Vgl. Zeitler, Rudolf : Kunstereignisse in Rom 1770 – 1830. In : Künstlerleben in Rom. 1992. S. 25 ff.