um Joseph Anton Koch

Die Grand Tour

Die Grand Tour war eine zunächst im englischen Adel, später auch in den Adelshäusern des Kontinents und im gehobenen Bürgertum verbreitete Institution, den Abschluss der Erziehung ihrer Söhne durch eine Rundreise durch Europa zu krönen. Als besonderes Reiseziel galt Italien.

Die jungen Reisenden sollten dabei Kultur und Sitten fremder Länder kennen lernen und für das weitere Leben nützliche Kontakte knüpfen. Weiters diente die Tour der Vertiefung von Sprachkenntnissen sowie dem allgemeinen Erwerb von Weltläufigkeit. Unausgesprochenes weiteres Ziel war häufig die Erlangung einer gewissen Erfahrung in erotischen Dingen, manchmal auch die Anbahnung von Heiratsmöglichkeiten.

Ältere Reisende verbanden eine solche Reise mitunter mit umfangreichen Forschungsinhalten, dem Besuch von Universitäten, oder sie versprachen sich vom milden Klima der südlichen Länder Linderung ihrer Krankheiten.

Einen erheblichen Aufschwung erlebte die Grand Tour Mitte des 18. Jahrhunderts. Im Zuge der Aufklärung nahm das Interesse an fremden Kulturen und Menschen, deren Lebensbedingungen und Umgebung weiter zu. Ausserdem wurde das Reisefieber durch Berichte von Weltreisen und durch Reiseliteratur geweckt.

Die zunehmende Erschliessung der Verkehrswege durch die Eisenbahn ermöglichte es auch Bevölkerungskreisen ausserhalb des Adels zu reisen und sich kulturelle Bildung anzueignen. Die klassische Grand Tour wurde durch die Bildungsreise mit geringerem Aufwand abgelöst und verlor dadurch für ihr klassisches Klientel an Exklusivität und Reiz.

Der Verlauf der Grand Tour war ursprünglich für einen Reisenden aus England relativ verbindlich festgeschrieben

Nach der Überquerung des Kanals ging die Reise von Boulogne oder Calais mit der Postkutsche relativ zügig nach Paris, dem ersten längeren Aufenthalt, weiter. Über Burgund und Lyon, Genf oder die Provence ging der Weg weiter in Richtung der Alpen, die über den Simplon oder den Mont Cenis überquert wurden.

Turin, Mailand und Genua wurde meist wenig Aufmerksamkeit geschenkt, Florenz dagegen zielbewusst angestrebt. Florenz war wegen seiner Architektur, seiner Kunstschätze und der Kultiviertheit der umgebenden Landschaft eine von den Briten traditionell hoch geschätzte Stadt. Über Abstecher nach Siena, Pisa oder Luca erreichte man Rom, um dort die Wintermonate zu verbringen. Über das gefährliche Wegstück zwischen Rom und Neapel, wo Malaria und Briganten eine Weiterreise oft erschwerten, erreichten die Reisenden die seit 1763 am Fuße des Vesuvs zugänglichen Ausgrabungen von Pompeji, in weiterer Folge Sizilien und den Ätna.

Die Weiter- und Rückreise führte über Padua, Venedig und den Brenner nach Wien, zu den deutschen Fürsten-, Residenz- und Universitätsstätten in Berlin, Weimar, München, Mannheim, Heidelberg, Jena oder Leipzig, und zu den großen Bädern in Baden-Baden, Karls- und Marienbad. Über Holland schiffte man sich wieder in Richtung England ein.
Seltener wurde eine Reise in umgekehrter Reihenfolge angetreten.

Neben preiswerten Unterkünften in Poststationen, in denen meist mit einem Strohsack an einer gemeinsamen Feuerstelle im Pferdestall vorlieb genommen wurde, standen in der Nähe der Poststationen und Hauptstraßen, sowie in den Innenstädten gehobenere Unterkünfte in großer Auswahl zur Verfügung. Vielfach boten die Zimmerwirte dem Reisenden über das Bett hinaus gegen Aufpreis auch eine Gefährtin für dasselbe an; als besonders extrem galten die Verhältnisse in Venedig, wo Kuppler und Huren ihre Dienste den Fremden geradezu aufdrängten. Häufig wurde die Gelegenheit dankbar ergriffen – zumal das Sammeln erotischer Erfahrungen durchaus mit zu den unausgesprochenen Zielen der Grand Tour gehörte.

Während im 16. und 17. Jahrhundert die Grand Tour teilweise noch zu Pferd unternommen wurden, setzte sich ab dem 18. Jahrhundert die Kutsche als Verkehrsmittel durch. Einige wenige wie Johann Gottfried Seume(* 29. Januar 1763 in Poserna, Kursachsen; † 13. Juni 1810 in Teplitz, Böhmen) bereisten Italien zu Fuß.

Das berühmte Portrait von Goethe in Italien (Tischbein)

Das berühmte Portrait von Goethe in Italien (Tischbein)

Der zweifellos berühmteste Romreisende war und ist Johann Wolfgang von Goethe, der Italien als Maler Filippo Miller (1) von 1786 bis 1788 bereiste und 1787 von J.H.W. Tischbein (dem Goethe-Tischbein) in der Campagna verewigt wurde.

Unter weniger glücklichen Umständen verlief die Grand Tour Johann Gottfried Herders, der auf Goethes Spuren und von diesem gegängelt Rom und Italien bereiste. Etwas Trost fand er in der Reisebegleitung Anna Amalias von Sachsen-Weimar und in der Freundschaft zu Angelika Kaufmann.
Mit der zunehmenden Mobilität und Reiselust weiter Bevölkerungskreise wandte sich etwa der englische Schriftsteller und führendes Mitglied der englischen Romantik William Wordsworth (1770 – 1850) gegen einen weiteren Ausbau des Eisenbahnnetzes, da dieser eine gefährliche Tendenz der Gleichheit beinhalte und die unteren Schichten dazu ermutige, nutzlos durch das Land zu ziehen.

Mit den zunehmenden Veröffentlichungen der Grand Tourer, die ihre Reiseeindrücke publizierten, den Reisehandbüchern und der Verbesserung der Verkehrsmittel wurde die Grand Tour zunehmend durch die Erholungsreise breiter Schichten und in weiterer Folge durch den Massentourismus abgelöst.

Ursprünglich wurde der Rompreis „Prix de Rome“ von Ludwig XIV im Jahr 1666 ins Leben gerufen, um jungen talentierten Architekten, Malern, Radieren sowie Bildhauern das Studium der klassischen Künste in Rom der Wiege der mitteleuropäischen Kunst zu ermöglichen. Als Sitz der zu diesem Zweck von Jean-Baptiste Colbert gegründeten Académie de France à Rome wurde die Villa Medici angemietet.

Rom wurde damit nicht nur Ziel der Grand Tour, sondern auch gezielt zum Zentrum der Aus- und Weiterbildung talentierter Künstler.

Die Villa Medici wurde im 16. Jahrhundert an der Straße Viale della Trinità dei Monti auf den Überresten der antiken Villa des Lucius Licinius Lucullus erbaut. Lucius Licinius Lucullus (* 117 v. Chr.; † 56 v. Chr.), auch Lukullus oder Lukull genannt , war ein römischer Feldherr und Konsul gewesen, der aus dem Umland der Stadt Giresun die ersten Kischen nach Europa gebracht hatte. Lucullus hatte in den eroberten Städten die persische Gartenkunst kennen gelernt und ließ in Rom und Neapel ausgedehnte Garten und kostbar mit Skulturen ausgeschmückte Villen anlegen.


  1. Vgl. Frankfurter Goethe-Museum, Raum 6. http://www.goethehaus-frankfurt.de/museum/raum6.html (5.11.2006)
  2. Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Grand_Tour (15.9.2006) und http://de.wikipediaorg/wiki/Geschichte_des_Tourismus (15.9.2006)
  3. Giresun ist die Hauptstadt der gleichnamigen türkischen Provinz Giresun mit 101.273 Einwohnern (Stand 1. Januar 2006). Sie liegt im Nordosten am Schwarzen Meer.Etwa 2 km vor der Küste Giresuns befindet sich die einzige bewohnte und bewohnbare Insel im Schwarzen Meer. Diese Insel findet man auch in der Griechischen Mythologie wieder, hier soll Herkules den Amazonen begegnet sein. Auch der Name der Stadt kommt aus dem griechischen Kerasus, zu deutsch „Kirsche“, zu türkisch Kiraz. Lucius Licinius Lucullus brachte ca. 70 v. Chr. die ersten Kirschen aus Giresun nach Europa. Die Haselnuss findet ihren Ursprung auch aus dieser Region der Türkei. Der Haselnussanbau ist die Haupteinkommensquelle der Einwohner
  4. Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Giresun (13.8.2006)
  5. Vgl. auch Ferdinand Gregorovius in „Die Villa Malta in Rom und ihre deutschen Erinnerungen“ http://gutenberg.spiegel.de/gregorov/wanderit/wanderit.htm (2.8.2006